Vom Mief der Homo-Ehe

"Unser Stück vom Kuchen?" – Schützenhilfe für GegnerInnen der Homo-Ehe. Von Siegfried Straßner

Talkshows, Bild und Goldenes Blatt: Glaubt man dem Medienrummel der letzten Monate, so betrachten es alle Lesben und Schwulen heute als ihr höchstes Ziel, möglichst bald den Hafen der Ehe – oder irgendeine eheähnliche Hilfsmole – anzusteuern. Doch in all der Aufregung um Trauschein, Ja-Wort und das Familienglück Patrick Lindners wäre fast untergegangen, dass es durchaus noch andere Wege zur schwullesbischen Glückseligkeit gibt. Rechtzeitig zum zähen Tauziehen um Homo-Ehe und eingetragene Partnerschaft wurden nun einige interessante Gegenpositionen veröffentlicht.

Dem Berliner Querverlag ist es zu verdanken, daß erstmals in konzentrierter Buchform kritische Argumente gegen das Sturmläuten der Hochzeitsglocken durch selbsternannte HomosexuellenvertreterInnen vorliegen. Unter dem Titel "Unser Stück vom Kuchen? Zehn Positionen gegen die Homo-Ehe" wurden Texte verschiedener AutorInnen sowie eine entsprechende Resolution der Deutschen AIDS-Hilfe vereint, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven und inhaltlichen Gewichtungen mit der Thematik beschäftigen. Doch so variantenreich die einzelnen Beiträge auch stilistisch sind – von bröseltrocken wie aus dem Politologie-Seminar bis hin zu erfrischend subjektiv polemisierend wie der Text von Eike Stedefeldt – so formen sie doch in ihrer Ganzheit ein Plädoyer gegen den sich ausbreitenden Irrsinn, mit dem Rechtsinstitut Ehe nun auch für Homosexuelle ein völlig veraltetes, patriarchales System zu fordern, ein System, das in seiner auf lebenslängliche Abhängigkeit ausgerichteten Natur selbst bei Heteros längst an Attraktivität verloren hat.

Nicht ohne die Wünsche von Lesben und Schwulen nach Gleichberechtigung und rechtlicher Absicherung ernst zu nehmen, erläutern die Autoren des Buches dennoch eindrucksvoll, wie sehr die derzeit gehandelten Homo-Ehe-Modelle nur eine Illusion von gesellschaftlicher Anerkennung nähren. Schlimmer noch: Mit der Forderung nach Integration in herkömmliche Ehestrukturen und Lebensweisen werden weitergehende Forderungen nach wirklicher Emanzipation aller Beziehungsmodelle einfach aufgegeben und die mögliche Vielfalt anerkennungswürdiger Beziehungsformen aus taktischen Gründen kurzerhand auf dem Traualtar geopfert. Statt endlich die Abschaffung unsinniger Privilegien der Ehe zu fordern, geben sich die kleinbürgerlichen Wortführer der Homo-Ehe mit einer saftlosen Light-Version zufrieden und rufen trotz kostensparender Kinderlosigkeit gar nach der Gewährung steuerrechtlich fragwürdiger Vorteile.

Zudem – und auch dies vermitteln die Texte des Buches logisch nachvollziehbar – sind die in Deutschland gehandelten Entwürfe einer eingetragenen Partnerschaft meilenweit von einer tatsächlichen Gleichstellung aller Partnerschaften entfernt. Heikle Punkte wie die Anerkennung anderer, auch heterosexueller Beziehungsformen oder das Bleiberecht für binationale Partnerschaften bleiben schlichtweg ausgegrenzt. Somit wird eine Mehrklassen-Beziehungsgesellschaft forciert, mit all ihren negativen Begleiterscheinungen wie entwürdigende Unterhaltsverpflichtungen und Erpressbarkeit ausländischer PartnerInnen durch die bloße Drohung mit Abschiebung.

Die gegenwärtige rechtliche und gesellschaftliche Benachteiligung schwullesbischer Partnerschaften wird auch von den AutorInnen von "Unser Stück vom Kuchen?" keineswegs bestritten. Doch statt einer Pseudo-Integration von Homosexuellen in die bestehenden Strukturen fordern sie zeitgemäße rechtliche Verbesserungen für alle und eine Entprivilegisierung der Ehe. Mehrmals verweisen sie dabei auf weitaus fortschrittlichere Modelle in Frankreich und Skandinavien. Zudem erläutert die Rechtanwältin Gisela Gebauer-Jipp in ihrem Beitrag, wie schwullesbische Partnerschaften sich schon jetzt durch Verträge, Patientenverfügungen, Versicherungen, Testamente u.ä. gegenseitig absichern und einem eventuell unerwünschten Zugriff der "lieben" Herkunftsfamilie entziehen können.

Gerade jetzt, während sich die Regierungsparteien und der LSVD den Kopf darüber zerbrechen, wie sie die Homo-Ehe light möglichst wähler- beziehungsweise großmütterfreundlich dem deutschen Volke präsentieren können, erscheint "Unser Stück vom Kuchen" zur rechten Zeit. Ein wichtiges Buch, das wohl nie auf der Empfehlungsliste des LSVD erscheinen wird.

Ilona Bubeck (Hrsg.): Unser Stück vom Kuchen? Zehn Positionen gegen die Homo-Ehe. Querverlag, Berlin 2000, 146 Seiten, DM 24,80

Rezension aus der Nürnberger Schwulenpost, Juni 2000

Einige Zitate aus dem Buch

Infolge dessen treten einem beim LSVD bestenfalls noch kleinbürgerlich sozialisierte Berufspolitiker, Beamte, Staats- und Rechtsanwälte, Vorstandsmitglieder, Parlamentspersonal und Parteikader entgegen – kurz: all jenes üble Volk, das zusammenzuschweißen es keiner fortschrittlichen Idee, sondern einzig der Paragraphen des deutschen Vereinsgesetzes bedarf. Bei vielen Homo-Ehe-Protagonisten beschleichen einen zudem Zweifel daran, daß sie jemals ihre aus homophilen Neigungen herrührenden Minderwertigkeitskomplexe überwunden haben. Ihnen geht es um irgendeine Form der Anerkennung, zumeist vor dem eigenen familiären Umfeld. Die Sanktionierung ihrer Partnerschaften betrachten sie als amtliches Gütesiegel: "Staatlich geprüft und für normal befunden".

Eike Stedefeldt ("Unser Stück vom Kuchen?", Seite 66)


Auch bei Lesben gibt es -- wie unter Heteras auch -- unschöne materielle, emotionale, sexuelle Abhängigkeiten. Wenn uns die Homo-Ehe blüht, kommt dazu sogar noch die Möglichkeit der Abhängigkeit von Leib und Leben, wenn bei bi-nationalen Beziehungen im Trennungsfall Abschiebung und Tod drohen. Und diese Abhängigkeiten haben dieselben zerstörerischen Auswirkungen. Wir sind nicht die besseren Menschen. Auch Lesben greifen gerne auf solche Mechanismen zurück, um sich Pseudosicherheiten zu verschaffen.

Gita Tost ("Unser Stück vom Kuchen?", Seite 106)


Das Interesse, die weiterbestehenden Vorrechte der Herkunftsfamilie (vor allem Erbrecht) zu brechen, haben nicht nur Verheiratete oder Begünstigte eines neu zu schaffenden Rechtsinstitutes. Auch andere Lebensgemeinschaften müssen ihre Rechte gegenüber der Herkunftsfamilie geltend machen können. Deshalb löst die Öffnung der bürgerlichen Ehe oder die Schaffung eines analogen Rechtsinstitutes für Lesben und Schwule nicht das Problem der Diskriminierung von Lebensweisen.

Deutsche AIDS-Hilfe ("Unser Stück vom Kuchen?", Seite 22)