Ficken im luftleeren Raum

Im Frühjahr 2004 wurde ich wie mein Gigi-Redaktionskollege Dirk Ruder vom Tübinger Konkursbuch Verlag erfolgreich um Beiträge für den Band "Mein schwules Auge" gebeten. Das im Sommer 2004 erschienene Buch dehnt die bekannte Anthologie-Reihe zu Sex/Erotik/Pornographie "Mein heimliches Auge", "Mein lesbisches Auge" erstmals in den schwulen Bereich aus. Leider ist das Projekt so gründlich mißlungen, wie schon früh zu befürchten war, denn in der Zusammenarbeit mit den Herausgebern zeigte sich, daß die beiden Fotografen vom Thema weitgehend unbeleckt waren (sie hatten nicht einmal eine von gedanklicher Befassung zeugende Definition des Begriffes "schwul") und über keinerlei inhaltliches und editorisches Konzept verfügten – außer eben ein Buch zu machen. So geschah es denn auch, daß die wenigen politischen Essays in kleinerer Schrift ans Ende des Buches verbannt und, obwohl sich Dirk Ruders "Der Homo und das Klo" und mein "Ficken im luftleeren Raum" aufeinander bezogen, voneinander getrennt wurden. Unsere Kritik führte zu manchen kleinen Bosheiten: In der Verlagsankündigung blieben wir ungenannt, zur Premiere des Buches und zur Teilnahme an den von jedem Gedanken an Politik gesäuberten Folgebänden ungeladen.

Damit das Ganze doch noch einen Sinn bekam, konzipierten Dirk Ruder und ich eine Doppellesung aus unseren Manuskripten; diese sind inzwischen teils sogar von Tageszeitungen nachgedruckt worden – als einzige Beiträge des Buches. Während Dirk Ruder sich mit dem Thema Klappensex befaßt, liefere ich einen sprachlich äußerst lebensnahen Aufsatz über die Entsexualisierung des Schwulseins in den Massenmedien sowie über das Ficken als hochpolitischen Vorgang.

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Rezensions-Auszug aus PRIDE (Linz)

Mein schwules Auge heißt der erste Band einer Serie von Bänden, die sich an den schwulen Bertrachter und Leser richten, erschienen im Konkrsbuch Verlag Claudia Gehrke. Das „Heimliche Auge“ ist ein erotisches Jahrbuch, das kein Trennung in der menschlichen Sexualität vornimmt. Zum 3. mal schon erschien das „Lesbische Auge“ und nun also der 1. Band des schwulen Auges ....

Eine erotische Geschichte nach der anderen. Und sie lassen die Vielfalt schwulen Erlebens erkennen, oft auch nur die lustvoll beschriebene schwule Sehnsucht. ... Wir lesen von Gerp Fischer „Im Doppelpack“ von einem verheirateten Beamten in mittlerem Alter, der sich heimlich wie eine Frau kleidet. „Mit den Fingerspitzen der anderen Hand fuhr ich ihn an der leicht behaarten Naht zwischen Sack und Arschloch entlang. Dabei wird Sven immer ganz verrückt. Er wand sich unter meinen Händen und säufzte und stöhnte himmlich“, lese ich in „Wahre Lust“. „Der Fotograf“ benutzt das fotografieren zur Kontaktaufnahme, wie Andreas Marber beschreibt. Elmar Kraushaar schreibt: „Dabei ist die großflächige Inszenierung der Homoehe nicht weiter als ein Schwindel, hinter der sich die Angst verbirgt und die Unentschlossenheit. Homosexuelle wollen nicht wirklich heiraten. Die Zahl derer, die es bislang dennoch hinter sich gebracht haben, ist so gering, daß das Statistische Bundesamt noch nicht einmal angefangen hat, sie zu zählen. Aber wie sollten Homosexuelle sonst ihr Zusammenleben regeln? Antworten sind schwer zu finden, stattdessen gibt man vor, die beste Idee dafür sei noch immer die der anderen, der Heterosexuellen. Und außerdem vergeben die dafür ganz viele Sympathiepunkte.“ Eike Stedefeldt argumentiert ähnlich und meint, dass das Bild schwuler Männer das ausklammert, was sie schwul sein lässt, ihre Sexualität. Dabei kritisiert er die Politik des LSVD. Dieser erste Band ist gelungen und stellt schon jetzt ein interessantes und wichtiges Diskussionsforum dar, wobei die unterschiedlichen Formen schwulen Lebens und Erlebens zum Ausdruck kommen. Er ist frech, lustvoll, geistvoll und unbedingt zu empfehlen. (js)